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Hahn und Henne antworten jetzt durch die Eischale

Forschung zur Geschlechterbestimmung im Ei

© Pixabay / Myriams Fotos

Lemgo, den 27. Januar 2023. Seit einem Jahr ist das Schreddern von Küken verboten. Das bringt viele Brütereien in wirtschaftliche Probleme, denn lukrativ bleibt das Geschäft nur, wenn das Geschlecht noch vor dem Schlüpfen festgestellt werden kann. An der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe hat man umfangreiche theoretische Grundlagen für industrietaugliche Technologie entwickelt und mehrfach erfolgreich getestet. Für den letzten Schub fehlen allerdings Fördermittel.

Professorin Dr. Helene Dörksen vom Institut für industrielle Informationstechnik (inIT) forscht bereits seit Jahren an der Geschlechterbestimmung im Ei. Bis vor kurzem mussten dafür die Eischalen noch angebohrt werden. Das war kompliziert und kostete Zeit. Jetzt ist ihrem Team ein Durchbruch gelungen. Ziel ist es nun, genügend geschlechtsspezifische Fluoreszenzdaten aus einem drei bis maximal sechs Tage alten Brutei zu sammeln, so dass Mathematikerin Dörksen damit berechnen kann, wer da künftig aus dem Ei schlüpft: Henne oder Hahn. Dazu wird ein Laserstrahl mit spezifischer Wellenlänge verwendet. „Wenn wir das Ei mit Laserlicht bestrahlen, antwortet es. Moleküle, die unter anderem in der äußeren Eihülle enthalten sind, geben eine charakteristische Fluoreszenzstrahlung ab. Das heißt: das Brutei „leuchtet“, ohne dass ein Loch in die Eierschale gebohrt werden muss. Je nach Geschlecht klingt dieses Leuchten mit einem spezifischen Zeitverhalten wieder ab. Hier greift dann der speziell dafür entwickelte Algorithmus“, beschreibt Professorin Dörksen den Messvorgang.

Seit sie sich mit diesem Thema befasst, hat sie ein besonderes Verhältnis zu Eiern – oder besser zu ihrem Inhalt. „Wir reden hier über Lebewesen. Am 3. Tag sieht man schon Gefäßstrukturen, die pulsieren. So ein Ei wimmelt nur so voller Leben“, sagt die Mathematikerin. Für sie ist das Ziel der industriellen Geschlechterbestimmung daher nicht nur eine aus forschender Perspektive, sondern auch eine ethische: „Wenn wir die Brütereien in die Lage versetzen, so früh schon das Geschlecht im Ei zu bestimmen, verhindern wir auch viel Leid“, ist sich Dörksen sicher.

Mittlerweile geht es der Professorin nicht mehr um den Nachweis der Korrektheit der Methode. Die Genauigkeit liegt konstant bei 98 Prozent und die algorithmischen Optimierungspotenziale sind noch lange nicht erschöpft. Es geht vielmehr darum, die Spektroskopie industrietauglich zu machen. Denn nur im Masseneinsatz ist die Geschlechterbestimmung für die Brütereien sinnvoll. Die Aufgabe, die dahintersteht, ist nicht einfach: „Wir müssen die Komponenten so optimieren, dass man sie als kompaktes System möglichst in Schuhkartongröße in den Brütereien installieren kann“, beschreibt die Wissenschaftlerin das Ziel. „Wir werden dafür noch eine gewisse Zeit brauchen, aber es wird funktionieren“, ist sie sich sicher.

Von industrieller Serienreife könne man allerdings erst sprechen, wenn pro Tag 100.000 Eier durchgemessen werden können. „Bis dahin ist es noch ein guter Forschungsschritt. Ziel muss es sein, das Geschlecht im Ei auf dem Transportfließband zu messen“, sagt Dörksen.

Es gibt es mehrere Methoden, das Geschlecht im Hühnerei zu bestimmen. Doch die Professorin ist sich mit ihrem Team sicher, dass sie auf dem richtigen Weg sind. „Wirtschaftliches Potenzial haben lediglich die spektroskopischen Methoden. Nur mit ihnen sind schnelle Messungen möglich. Und unsere Methode unterscheidet sich noch dadurch, dass wir an der äußeren Hülle angekommen sind. Das Ei bleibt unbeschädigt und wir messen sicher vor dem sechsten Bruttag. Das zusammen hat noch niemand vor uns geschafft.“

Dennoch ist ihr klar, dass vor ihrem Team noch eine gewaltige Forschungsaufgabe liegt. „Wir wissen, dass es geht, aber es braucht eine entsprechende Forschungsfinanzierung“, sagt Dörksen. Aktuell arbeitet ihr Team mit der komplexen Laser- und Detektionstechnik. „Derzeit scannen wir mit dem Spektrometer im Fluoreszenzemissionsintervall vom UV bis in den sichtbaren Bereich. Wenn wir genau wissen, welche der gescannten Wellenlängen für die starke geschlechtsspezifische Antwort des Eis verantwortlich ist, dann können wir uns auf diese Wellenlängen beschränken. In dem Moment flutschen sowohl die Komplexität als auch die Messzeit zusammen“, erklärt die Professorin. Die Messtechnik könne dann signifikant verschlankt und skaliert sowie entsprechend günstig produziert werden.

Für Helene Dörksen ist klar, dass die jetzt notwendigen Schritte auch über akademische Kooperationen hinausgehen müssen. „Die Industrie ist hochgradig interessiert, weil unsere Methode eine enorm hohe Anwendungsrelevanz hat“, berichtet Dörksen. Es gehe schlicht und ergreifend um die Existenz zahlreicher Brütereien, die sonst nicht wissen, was sie mit den für sie unbrauchbaren männlichen Küken anstellen sollen. Auch biete der privatwirtschaftliche Aspekt die Möglichkeit, Forscher- und Erfindergeist miteinander zu kombinieren. „So kommen wir schneller ans Ziel“, ist sich die Mathematikerin sicher.

Denn der Erfolg entstehe immer durch das Zusammenspiel von Menschen und Fügungen, die oft überraschen: der so erfolgversprechende Sensor wurde nämlich ursprünglich für die Biodieselforschung entwickelt. Dort erweist er sich als derart sensitiv und selektiv, dass er nicht nur das Alter von Biodiesel bestimmen kann, sondern auch noch Aussagen darüber erlaubt, ob dem Biokraftstoff Diesel von z.B. Aral oder Shell zugemischt ist. „Hier zeigt sich das enorme Potenzial der interdisziplinären Zusammenarbeit, die wir an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Lehre, Forschung und Transfer leben“, fasst Hochschulpräsident Jürgen Krahl zusammen. Schon sehr früh erkannte er, dass der vom Team um ihm ursprünglich entwickelte Kraftstoffsensor auch zur Geschlechtsbestimmung von Hühnereiern taugt. „Der Durchbruch gelang allerdings erst durch die Algorithmen von Professorin Dörksen“. Geld sei für Forschung wichtig, aber der Geist ist am Ende doch entscheidend, um Wissen in Wirkung zu wandeln.

Originalmeldung:
https://www.th-owl.de/news/artikel/detail/hahn-und-henne-antworten-jetzt-durch-die-eischale/

Ansprechpartnerin:
Bianca Lukas
Komm. Dezernatsleitung
Dezernat Kommunikation & Marketing
Sachgebietsleitung Marketing
+49 5261 702 – 5945
bianca.lukas@th-owl.de

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2023-02-02T15:52:36+01:0002.02.2023|Kategorien: Produktion & Fertigung, Vermischtes|Tags: |

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