Patient*innen durch biologisch abbaubare Sensorimplantate entlasten
Aachen, 26. November 2025. Mit biologisch abbaubaren Sensoren soll die Belastung für Patientinnen und Patienten nach Hautlappentransplantationen künftig deutlich sinken. Zwei Wissenschaftlerinnen der FH Aachen sind die treibenden Kräfte des Projekts.
„Wenn wir die Strapazen der Patientinnen und Patienten verringern können, wäre das ein großer Gewinn“, sagt Prof. Dr. Michael J. Schöning, Leiter des Instituts für Nano- und Biotechnologien (INB). Er koordiniert das Projekt SensoFib, kurz für Sensoranordnung auf Basis des Seidenspinnerproteins Fibroin zur Unterstützung von Transplantationsprozessen. Ziel ist die Entwicklung eines neuartigen implantierbaren Sensorsystems, das transplantiertes Gewebe objektiv, sicher und schonend überwacht und sich nach getaner Arbeit selbst abbaut.
Nachwuchs aus den eigenen Reihen
Madita Zach, Doktorandin im Projekt, ist ein „FH-Eigengewächs“. Nach ihrem Bachelor am Fachbereich Medizintechnik und Technomathematik und einem praktisch ausgelegten Master of Research entschied sie sich für die Promotion bei Prof. Schöning.
„Ich habe gemerkt, dass mir wissenschaftliches Arbeiten im Labor sehr viel Spaß macht“, erzählt sie. „Man sieht direkt, was man tut. Als mich Professor Schöning fragte, ob ich mit diesem Projekt promovieren möchte, habe ich sofort Ja gesagt.“
Schon in ihrer Masterarbeit forschte sie an biokompatiblen Sensoren. Ende Oktober hat sie auf dem European Biosensor Symposium in Spanien aktuelle Zwischenstände des SensoFib-Projekts präsentiert. Dort hatte sie auch die Gelegenheit, sich mit anderen Wissenschaftler:innen zu diesem Thema fachlich auszutauschen.
Dr. Melanie Welden fand mit ihrer Postdoc-Stelle im Projekt den idealen Wiedereinstieg nach der Elternzeit. „Ich bin neu im Team und freue mich darauf, stärker anwendungsbezogen zu forschen“, berichtet sie. Bisher sei ihre Arbeit an der FH eher Grundlagenforschung gewesen. Ihr umfangreiches Wissen in der Biosensorik bringt zusätzliche wichtige Expertise in das Projekt mit ein.
Viele Komplikationen nach Hautlappentransplantationen
Rund 100.000 Hautlappentransplantationen werden jedes Jahr in Deutschland durchgeführt – komplexe Eingriffe, die oft sechs bis acht Stunden dauern und mit zu den belastendsten Operationen zählen. Je nach Studie stirbt etwa ein Viertel der Transplantate in den ersten 72 Stunden ab.
Die Gründe: Entzündungen oder eine unzureichende Sauerstoffversorgung, die eine Entfernung des transplantierten Gewebes zur Folge haben. „Eine Replantation bedeutet, wieder eine lange Operation, wieder die Haut aufzuschneiden und wieder die Gefäße zu verletzen“, erklärt Prof. Schöning.
Eingreifen, bevor es zu spät ist
Bislang beurteilt das medizinische Personal den Zustand des transplantierten Hautlappens meist per Sicht- und Tastkontrolle. In diesem subjektiven Verfahren können kritische Veränderungen leicht übersehen werden und der personelle Aufwand ist extrem hoch.
Das SensoFib-System soll dagegen kontinuierlich Temperatur, Sauerstoffsättigung und den elektrischen Widerstand des Gewebes erfassen. Entscheidend ist dabei nicht nur der einzelne Messwert, sondern deren Abhängigkeit voneinander. „Die zeitliche Veränderung der Werte ist entscheidend“, betonen Zach und Dr. Welden. Erkennt das System mehrere Warnsignale gleichzeitig, schlägt es automatisch Alarm und das Pflegepersonal kann eingreifen, bevor es kritisch wird. So entsteht ein digitales Frühwarnsystem, das den Heilungsprozess überwacht. Dieser Prozess ist präziser, objektiver und deutlich schonender als bisherige Methoden.
Nachhaltige Innovation
Eine besondere Herausforderung liegt für das Forschungsteam in der Materialauswahl. Der Sensor muss biokompatibel sein, damit er in den Körper implantiert werden kann. Außerdem soll er sich flexibel an den Körper anpassen, die Bewegungen der Patient:innen nicht einschränken und sich nach seinem Einsatz vollständig abbauen.
Dafür setzt das Team auf biologisch abbaubare Materialien. Im Mittelpunkt steht das Seidenprotein Fibroin, gewonnen aus den Fäden des Seidenspinners Bombyx mori. Es ist verträglich und zersetzt sich auf natürliche Weise.
Auch Magnesium spielt dabei eine wichtige Rolle als Funktionsschicht, um die Messdaten zu generieren und auszulesen. Das Metall kommt im Körper selbst vor und ist somit gut verträglich, löst sich jedoch in Kontakt mit Feuchtigkeit auf. Um diese Biodegradation gezielt zu kontrollieren, entwickeln die Forschenden zusätzlich eine spezielle Schutzschicht, die den zeitlichen Abbau einstellt. Sogar die feinen Leitungen, die zunächst aus der Haut herausragen, um die Messwerte an einen Monitor zu übertragen, sollen sich am Ende selbst auflösen – ähnlich wie selbst auflösende Wundfäden.
„Wir haben bereits eine ausgedehnte Historie im Bereich nicht-aktiver Implantate aus Magnesium und Seidenfibroin und konnten den Einsatz dieser Werkstoffe erfolgreich klinisch validieren. Es ist ungemein spannend nun auch den Einsatz unserer resorbierbaren Biomaterialien in Sensorsystemen zu erforschen, da sensorische Komponenten in fast allen Bereichen der Implantattechnik zukunftsweisend sein werden.“, erklärt Dr. Alexander Kopp, Vertreter der gewerblichen
Projektpartner der Forschung.
Das Sensorsystem verbindet Hightech mit Nachhaltigkeit und leistet einen Beitrag zu zwei UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung: Gesundheit und Wohlergehen sowie Nachhaltige Innovationen. In einem nächsten Schritt soll die Biokompatibilität gemeinsam mit Mediziner:innen getestet werden. Prof. Schöning blickt optimistisch in die Zukunft: „Wenn das Projekt abgeschlossen ist, könnten wir in der klinischen Phase mit Tierversuchen starten.“
Förderung und Partner
Gefördert wird SensoFib seit März 2025 für drei Jahre im Rahmen der Ausschreibung Transfer HAW/FH PLUS der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die Förderlinie richtet sich gezielt an praxisorientierte Forschungsprojekte an Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Fachhochschulen, die mit Unternehmen gemeinsam durchgeführt werden.
Projektpartner sind die Fibrothelium GmbH und die Meotec GmbH aus Aachen. Das Förderkennzeichen lautet 548199022.
FH Aachen
Mitarbeiter Presseabteilung
Arnd Gottschalk
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