Älteren Menschen den Nutzen von Technik näherbringen
Innovative Technik oder Assistenzsysteme können für das selbstbestimmte Leben im Alter eine große Hilfe sein. Doch nicht alle nutzen Mobiltelefone oder intelligente Haushaltsgeräte, obwohl sie beispielsweise den Kontakt zu den Enkeln erleichtern oder die Wohnung sicherer machen könnten. Gerade ältere Menschen stehen modernen Informations- und Kommunikationstechnologien oft ablehnend gegenüber. Peter Enste, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut Arbeit und Technik der Westfälischen Hochschule, will wissen, warum das so ist und welche Faktoren diese Technikdistanz überhaupt begünstigen.
„Der technische Fortschritt hat das Leben in den letzten 100 Jahren in fast allen Lebensbereichen maßgeblich verändert“, sagt der Experte für Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität. Wer diese Entwicklung gar nicht beachte oder beachten könne, sei klar im Nachteil. Innerhalb der Gruppe der älteren Menschen zwischen 60 und 95 Jahren sei dies sogar noch verstärkt bei Frauen, Alleinlebenden oder Menschen mit niedrigem Bildungsstand oder wenig Einkommen der Fall. Im Rahmen des Forschungsprojekts „KOMPETENT“ untersuchten Enste und sein Kollege Sebastian Merkel die häufigsten Gründe für die mangelnde Techniknutzung. Aus den Ergebnissen entstand eine Broschüre, die häufige Fragen beantwortet, einfache Anleitungen gibt und so Seniorinnen und Senioren den Nutzen moderner Technik ein Stück weit näherbringen will.
Fragen und Antworten
Die benötigten Informationen lieferten 17 Interviews mit Seniorinnen und Senioren, die aufgrund ihres Geschlechts, ihres sehr hohen Alters über 80, ihres Bildungsstandes oder ihrer Haushaltsgröße als sozial schwächer eingestuft wurden. Auf alle Interviewten trafen mindestens zwei Kriterien zu. Ihre Antworten zeigten, dass die meisten Technik per se nicht als etwas Schlechtes empfinden. Viele sprachen sogar von positiven Erfahrungen, beispielsweise mit Technologien im Haushalt, die sie als große Hilfe erlebt hatten. „Die Verbreitung der Waschmaschine oder des Fernsehers in den 1960er-Jahren oder des Rollators seit Anfang der 1990er-Jahre brachte einen direkten Nutzen mit sich“, sagt Enste. Genau damit begründet er auch zum Teil die Ablehnung digitaler Innovationen: „Beim Smartphone oder Tablet erschließt sich der Vorteil in der Lebenswelt älterer Menschen nicht so offensichtlich.“
Demgegenüber dennoch offen zeigten sich in den Interviews vor allem diejenigen, die im früheren Beruf häufiger mit Technik in Berührung gekommen waren, Schulungen erhalten hatten und so Vorbehalte abbauen konnten. Aber auch persönliche Lebensereignisse oder die Unterstützung der Kinder beim Umgang mit moderner Technik wurden als Einflussfaktoren erfasst. „Der Tod des Partners bewirkte beispielsweise in einem Fall, dass sich die Teilnehmerin nun dazu gezwungen sah, ihre Haustechnik, die sonst der Mann verwaltet hatte, selbst bedienen zu lernen“, sagt Enste.
Türen öffnen
Gehemmt würden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am häufigsten durch mangelndes Anwendungswissen. Aber auch die Angst vor dem ungewissen Risiko, zum Beispiel beim Online-Banking, oder der Hilflosigkeit, wenn etwas nicht mehr funktioniert, sind Hindernisse. Genau hier setzt die Broschüre an, die Enste und Merkel nach der inhaltlichen Auswertung der Interviews erstellt haben. Auf 35 Seiten erläutert sie Fremdwörter wie „Googeln“, „Tablet“ oder „Touchscreen“, schildert die Vorteile von Treppenliftern, Hausnotrufsystemen, E-Mails oder E-Book-Readern für die Mobilität, Sicherheit, Kommunikation und Unterhaltung im Alter und führt auf, wie man sich vor Cyber-Kriminalität schützen kann. „Wir wollen den Leserinnen und Lesern die Angst vor dem Kontakt mit moderner Technik nehmen und ihnen zeigen, dass sie nicht zu alt sind, um etwas Neues zu lernen“, sagt Enste. Schulungen und Beratung, die insbesondere älteren Menschen den Umgang mit Smartphone und Co. näherbringen, gebe es viele. Auch hier enthält die Broschüre Hinweise auf Unterstützungsmöglichkeiten. Ein Beispiel ist die Initiative „Senioren Technik Botschafter“ in Gelsenkirchen, bei der technikaffine Seniorinnen und Senioren anderen älteren Menschen ehrenamtlich ihre Hilfe anbieten.
Ja zur Technik – aber immer freiwillig!
Bei allen Tipps über den Nutzen von Internet, Smart Home oder Telemedizin betont Enste eines aber ganz deutlich: Technik darf den Menschen und die sozialen Kontakte nicht ersetzen. Und niemand sollte dazu gedrängt werden, technische Hilfsmittel zu nutzen, obwohl er es nicht will. Dennoch bieten viele Innovationen gute Chancen, ältere Menschen und ihre Umwelt zu unterstützen, damit sie auch mit Einschränkungen im Alter noch möglichst selbstständig ihr Leben gestalten können. Und das, findet Peter Enste, sollten sie einfach wissen. Das Projekt KOMPETENT wurde im Rahmen des BMBF-Förderschwerpunkts „Mensch-Technik-Interaktion (MTI) für den demografischen Wandel“ gefördert.
Kontakt
Westfälische Hochschule
KOMPETENT
Peter Enste
+49 (0)209 1707 133
enste@iat.eu
Weitere Informationen
www.prosense.info
www.vitting.design.fh-aachen.de/forschung/
Text
Netzwerkbüro HN NRW | Eva Helm